Budd-Chiari-Syndrome (BCS)

Strukturelle Lebererkrankungen

Beschreibung

Beim Budd-Chiari-Syndrom kommt es durch ein Blutgerinnsel zu einem Verschluss einer Verlegung bzw. Verengung der Lebervenen. Lebervenen sind die abführenden Blutgefäße der Leber, durch die das Blut aus der Leber in die unter Hohlvene und von dort aus weiter zum Herzen transportiert wird.

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Darstellung eines Blutgerinnsels in einem Gefäß

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Gerinnsel in Lebervenen oder inferior Vena cava = Budd Chiari-Syndrom

Welche Symptome gibt es?
Die Blockade des venösen Abstroms aus der Leber führt dazu, dass sich Blut in die Leber zurückstaut, was zu einer Vergrößerung der Leber führen kann. Ferner kann es zu einer Vergrößerung der Milz kommen, da das Blut aus der Milz über die Leber zum Herzen zurückfließt.

Das Budd-Chiari-Syndrom kann einerseits komplett ohne Symptome verlaufen, andererseits aber auch vielfältige Symptome beinhalten:
— Ermüdung
— Oberbauchschmerzen (durch Spannung der Leberkapsel, also der Umhüllung der Leber, bei einer vergrößerten Leber)
— Ansammlung von Flüssigkeiten im Bauch (Aszites)
— Beinödeme/Schwellung
— Ösophagusvarizen (Krampfadern/Varizen der Speiseröhre, die durch eine Endoskopie diagnostiziert werden können)

Weniger häufige Symptome können sein:
— Gastrointestinale Blutungen aus Speiseröhrenvarizen
— Gelbsucht (Haut, das Weiße der Augen und Schleimhäute färben sich gelb)
— Akute Verschlechterung der Leberfunktion

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Bauchwasser

Diagnostik

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OESOPHAGEAL VARICES

Bildgebende Verfahren können Aufschluss darüber geben, ob die Lebervenen durch Blutgerinnsel verstopft sind.

Diese Tests umfassen:
— Ultraschall mit Dopplersonographie: ein Verfahren, das hochfrequente Schallwellen aussendet, die vom Körpergewebe reflektiert werden (=Echo). Die Echos werden aufgezeichnet und in Videos oder Fotografien der inneren Strukturen des Körpers umgewandelt. Eine Sonderform stellt hierbei die Dopplersonographie dar, durch welche es möglich ist, den Blutfluss in Blutgefäßen abzubilden. Normalerweise kann mittels Dopplersonographie gezeigt werden, dass ein Blutgerinnsel eine Lebervene verstopft.
— Computertomographie (CT): eine CT verwendet Röntgenaufnahmen, um Bilder eines Querschnitts des Körpers zu erzeugen.
— Magnetresonanztomographie (MRT): Ein Verfahren, dass große Magneten, Radiowellen und einen Computer verwendet, um Quer- oder Längsschnittbilder des Körpers mit einer hohen Auflösung zu erzeugen.

Was sind die Ursachen eines BCS?
Es liegt oft eine Kombination aus mehreren prädisponierenden Risikofaktoren vor, welche die Bildung von Blutgerinnseln begünstigt haben. Dazu zählen ganz allgemein Faktoren, die zu einer Veränderung der Blutgerinnung selbst führen sowie Faktoren, die zu einer Veränderung des Blutflusses führen. Zu Letzteren zählen im weiteren Sinne auch myeloproliferative Erkrankungen, bei denen es zu einer Überproduktion von weißen Blutkörperchen, roten Blutzellen oder auch Blutplättchen kommen kann. Bei myeloproliferativen Störungen handelt es sich um erworbene Krankheiten des blutbildenden Systems.
Bei anderen Risikofaktoren handelt es sich um angeborene Anomalien der Blutgerinnung. Die wichtigsten angeborenen Anomalien sind der natürliche Antikoagulanzien-Mangel (Protein C-, Protein S- oder Antithrombin-Mangel) und die Faktor V Leiden- oder Prothrombin-Mutation.

Ferner gibt es weitere Störungen, die im Rahmen der Abklärung von Blutgerinnseln ausgeschlossen werden sollten, dazu zählt das Antiphospholipid-Syndrom und die Behcet-Krankheit.

Andere Risikofaktoren sind exogen, also von außen verursacht. Hierzu gehören orale östrogenhaltige Verhütungsmittel, wie zum Beispiel die Pille sowie eine Schwangerschaft.

Wie werden die Ursachen eines BCS diagnostiziert?
Ihr Arzt wird Bluttests durchführen, um eine Diagnose zu stellen. Diese umfassen Tests zum Ausschluss genetischer Störungen der Blutgerinnung (Thrombophilie), Tests zur Diagnose von myeloproliferativen Erkrankungen wie Jak2 V617f/Exon 12 oder Cal r Mutationen sowie Tests zum Ausschluss des Antiphospholipid-Syndroms (Antiphospholipid-Antikörper, Lupus-Antikoagulans, Anti-Beta2 gp1). Weitere Test dienen dem Ausschluss seltener Ursachen. Da das BCS relativ selten ist und häufig mehrere zum Teil seltene Störungen als Ursache vorliegen, sollte eine umfassende Diagnostik in einem Expertenzentrum erfolgen.
Im Falle einer myeloproliferativen Störung können zudem weitere Tests erforderlich sein, wie etwa eine Knochenmarkbiopsie.

Therapie

Die wichtigste Behandlungsmaßnahme stellt die Einleitung einer Antikoagulation (Blutverdünnung) dar. In schweren Fällen und in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation, kommen möglicherweise weitere Maßnahmen zum Einsatz. Hierzu zählt unter anderem die Rekanalisation der verschlossenen Vene durch einen radiologischen Eingriff, die sogenannte Angioplastie, sowie die Anlage eines TIPS (wird im nachfolgenden Text erläutert). Als letzte und relativ selten notwendige Option verbleibt beim symptomatischen BCS die Lebertransplantation.

Neben der unmittelbaren Behandlung des BCS ist es wichtig, dessen Ursachen zu erkennen und diese entsprechend zu behandeln. Davon hängt die Prognose entscheidend ab.

Antikoagulanzien (Blutverdünner)
Diese verringern die Neigung des Blutes Gerinnsel zu bilden und verhindern so die Entstehung neuer Blutgerinnsel, welche den venösen Blutfluss blockieren können sowie die weitere Ausdehnung eines bereits bestehenden Blutgerinnsels.
Blutverdünnende Medikamente können entweder oral oder durch Injektionen verabreicht werden.

Bei oraler Blutverdünnung mit Vitamin-K-Antagonisten sind regelmäßige Blutuntersuchungen erforderlich, um das Ausmaß der Blutverdünnung zu kontrollieren. Bei neueren oralen Antikoagulation entfällt die Notwendigkeit dieser wiederholten Blutkontrollen.
Prinzipiell gilt, dass bei BCS in der Regel eine lebenslange Blutverdünnung notwendig ist.

Radiologische Verfahren:
Es gibt zwei nicht-chirurgische Verfahren zur Behandlung des Budd-Chiari-Syndroms:
• perkutane transluminale Angioplastie und
• transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS).
Bei der perkutanen transluminalen Angioplastie führt der Arzt einen Katheter – eine dünne, hohle Röhre mit einem Ballon an der Spitze – durch die Haut in ein Blutgefäß ein. Der Katheter wird in den Bereich geführt, in dem sich das Gerinnsel befindet. Wenn der Katheter das Gerinnsel erreicht, wird der Ballon im Blutgefäß aufgeblasen, um die Vene zu weiten. erweitern. Nachfolgend kann ein Stent, also ein Röhrchen aus Metalldraht, das die Venen aufdehnt an dieser Stelle platziert werden, um die Vene offen zu halten.

Ein TIPS ist ein radiologisches Verfahren, bei dem ein Stent in der Leber platziert wird, welcher die Portalvene, also die Vene, die Blut aus den Verdauungsorganen zur Leber trägt, mit einer der drei Lebervenen verbindet. Durch diese Kurzschlussverbindung zwischen zuführendem Blutgefäß (Pfortader) und abführendem Blutgefäß (Lebervene) reduziert sich der Druck in allen Venen der Leber, in die sich aufgrund der Blockade im Rahmen des BCS das Blut zurückgestaut hat.

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Transplantation bei BCS
Eine Lebertransplantation wird in Betracht gezogen, wenn Patienten nicht angemessen auf Angioplastie oder TIPS ansprechen oder auch im Falle einer sehr schweren akuten Manifestation des BCS.

Therapeutische Strategie für das BCS
Prinzipiell versucht man zunächst weniger invasive therapeutische Optionen auszuschöpfen, dazu zählen Blutverdünnung, Angioplastie/Stenting und TIPS. Nur wenn dies nicht ausreichend erscheint, sich keine Besserung einstellt oder dies technisch nicht möglich ist, wird eine Transplantation in Betracht gezogen. Davon abgesehen, versucht der Arzt die auslösenden Ursachen zu behandeln.

Komplikationen des BCS
Zu Komplikationen, die im Rahmen eines Budd Chiari-Syndrom entstehen können, zählen Aszites, Varizenblutung sowie Störungen der Leberfunktion. Darüber hinaus gibt es Komplikationen, die im Rahmen der therapeutischen Maßnahmen auftreten können, zum Beispiel eine Blutung, die durch den Einsatz von Blutverdünnern begünstigt wurde. Ferner bergen Angioplastie und TIPS als interventionellen Maßnahmen ebenfalls gewisse Risiken.

Rezidiv eines BCS
Wenn Blutverdünner in einer therapeutischen Dosierung eingesetzt werden, ist ein erneutes Auftreten eines BCS unwahrscheinlich. Sollten Probleme im Rahmen der Blutverdünnung auftreten, die eine Therapieumstellung erfordern, sollte dies immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen.

Prognose des BCS
Obwohl sich die Behandlung innerhalb der ersten beiden Jahre nach Diagnosestellung für den einzelnen Patienten etwas schwierig gestalten kann und eventuell interventionelle Maßnahme notwendig sind, tritt die Lebererkrankung im weiteren Verlauf für die meisten Patienten in den Hintergrund. Vielmehr steht dann die Behandlung der Ursachen im Vordergrund, welche die Bildung eines Blutgerinnsels in einer Lebervene initial begünstigt hatten. Somit ist es häufig möglich, ein weitgehend normales Familien- und Berufsleben mit einem BCS zu führen.

Wer ist betroffen?
Mit einer jährlichen Inzidenz zwischen ein bis zwei Personen pro 1.000.000 ist das BCS selten. In der Regel betrifft es junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 50 Jahren, wobei Frauen häufiger betroffen sind. Aber auch bei jüngeren und älteren Personen kann das BCS selten auftreten.

Was kann ich tun, wenn bei mir ein BCS diagnostiziert wird?
Medikamente:
• Nehmen Sie die Medikamente gemäß den Anweisungen Ihres Arztes zuverlässig ein.
• Führen Sie eine Karte mit einem Medikamentenplan mit sich, damit zum Beispiel eine blutverdünnende Medikation bei medizinischen Maßnahmen für andere ersichtlich ist.
• Östrogenhaltige Kontrazeptive („Pille“) sollten vermieden werden, hier ist somit unter Umständen eine Absprache mit dem behandelnden Gynäkologen erforderlich.

Diät:
Vermeiden Sie Alkohol sowie andere Faktoren, welche die Leber schädigen können, hierzu zählt insbesondere Übergewicht. Daher wird eine ausgewogene Ernährung empfohlen.

Familienplanung:
Vor allem in den ersten Monaten nach Diagnosestellung kann ein BCS mit physischen, aber auch psychischen Schwierigkeiten für den Betroffenen verbunden sein. Hierbei kann die Unterstützung durch die Familie sehr hilfreich sein.
Eine Schwangerschaft kann einen begünstigenden Auslöser für ein BCS darstellen und ein bestehendes BCS weiter verschlechtern. Anderseits hat sich auch gezeigt, dass eine Schwangerschaft bei BCS möglich ist, hier sollte aber immer eine interdisziplinäre Zusammenarbeit stattfinden und eine Schwangerschaft entsprechend geplant und begleitet werden.

Müssen meine Familie und ich gentechnisch getestet werden?
BCS per se ist keine angeborene Erkrankung. Da jedoch mehrere Kofaktoren vorhanden sein können, die das Auftreten eines BCS begünstigt haben, ist es wichtig, nach begünstigenden angeborenen Anomalien oder Risikofaktoren zu suchen.

Brauche ich medizinische Untersuchungen?
Ja, es ist sehr wichtig, regelmäßige Blutuntersuchungen, bildgebende und ambulante Untersuchungen durchzuführen, mindestens alle sechs Monate.

Wie finde ich einen Spezialisten?
Da ein BCS relativ selten ist, sollte die Behandlung, wenn möglich von einem Arzt oder einem Krankenhausnetzwerk mit besonderer Erfahrung auf diesem Gebiet erfolgen.
Einige Krankenhäuser sind Teil des europaweiten Referenznetzwerks für Seltene Lebererkrankungen, ERN RARE-LIVER. Dies bedeutet, dass Patienten, die in Krankenhäusern innerhalb des Netzwerks betreut werden, von der Expertise von Spezialisten profitieren können, die in anderen Krankenhäusern innerhalb des Netzwerks tätig sind. Weitere Informationen zum ERN RARE-LIVER finden Sie unter https://rare-liver.eu/. Informationen zur Patientenbetreuung finden Sie im Abschnitt „Patienten“ auf der ERN RARE-LIVER Website (https://rare-liver.eu/).